Anfechtung, § 142 BGB

• 1. Zulässigkeit

  • ausgeschlossen bei

    • Bestätigung, § 144 BGB Teilnichtigkeit, Umdeutung, Bestätigung

    • Eigengeschäft, § 164 II BGB

  • Konkurrenzen

    • Anwendbarkeit neben MängelrechtVerhältnis des Mängelrechts zum AT

    • Verhältnis zur CIC → Anspruch auf Aufhebungculpa in contrahendo §§ 311 II BGB , 280 I

    • Vorrang des § 123 BGB vor § 324 BGB

      • (str) ist schon, ob § 324 BGB vor Vertragsschluss überhaupt anwendbar ist

        • Arg.: dies ließe sich noch mit Arg., dass Schutzwürdigkeit vor und nach Vertragschluss gleich ist, lösen

      • § 324 BGB zumindest auf Konkurrenzebene ausgeschlossen

        • Arg.: § 324 BGB erfordert anders als § 123 BGB oder § 311a BGB keinerlei Verschulden

    • Anfechtung von VertretungsmachtWissenszurechnung, § 166 BGB

      • vom Gesetzestext her idR möglich, da Unzuverlässigkeit des Vertreters = verkehrswesentl. Eigenschaft

      • aber Anfechtung darf Stellvertretungsrecht nicht unterlaufen typisches Risiko der SV

  • Anfechtung von Sonderfällen

    • Anfechtung von RechtsscheinstatbeständenRechtsscheinshaftung: Anscheinsvollmacht, Duldungsvollmacht

      • weder bei Anscheinsvollmacht noch Duldungsvollmacht möglich

        • keine WEWillenserklärung

        • ein einmal gesetzter Rechtsschein kann nicht beseitigt werden

        • genaue Abgrenzung zur konkludenten Vollmacht erforderlich

      • a.A.: vergleichbar zur konkl. Vollmacht

        • aber nie Irrtum bzgl. Rechtsfolge!

        • vgl. mit fehlendem Erklärungsbewusstsein fehlendes Erklärungsbewusstsein vglb. mit fehlendem Bevollmächtigungswillen

        • Arg.: Rechtsschein ist Minus zur WE wenn schon eine kokludente WE erklären angefochten werden kann, dann auch ein Dulden

    • Anfechtung von Schweigen

      • Anfechtung von 'Ja'

        • Schweigen ist grds. keine WEWillenserklärung

        • Anfechtbarkkeit von ausnahmesweise rechtserhebl. Schweigen, § 119 BGB analogAnfechtung, § 142 BGB

          • (-) Irrtum über Bedeutung des Schweigens
            • unbeachtlicher RechtsfolgenirrtumRechtsfolgenirrtum, Kalkulationsirrtum
            • aber auch: fehlendes ErklärungsbewusstseinWillenserklärung
          • (+) Inhaltsirrtum
            • Arg.: keine willkürliche Benachteiligung von Schweigen gegenüber ausdr. Erklärung
            • bei ges. normiertem Nein Con.: schon keine WE
          • Ausnahme §§ 75h, 91a HGB, da Anfechtung ausgeschlossen

      • Anfechtung von 'Nein'

        • sinnlos

          • weil aus nein nicht ja wird, Frist wird nicht angefochten

        • einzige Ausnahme, § 1957 BGB

    • Anfechtung von nichtigen Verträgen

      • Kippsche 'Lehre der Doppelnichtigkeit'

        1. § 123 BGB ermöglicht leichtere Beweisbarkeit als § 138 BGB

        2. Nichtigkeit bezeiht sich nur auf einen bestimmten Nichtigkeitsgrund

        3. Verhinderung des gutgläubig Erwerbs eines Dritten

           • § 932 II BGB wenn Anfechtung bekanntGutgläubiger Erwerb, § 932 ff. BGB
           • § 142 II BGB 'wenn die Anfechtung erfolgt'Gutgläubiger Erwerb, § 932 ff. BGB

      • vgl. Drittwiderspruchsklage gegen nichtige ForderungspfändungDrittwiderspruchsklage § 771 BGB

• 2. Anfechtungsgrund

  • § 119 BGB

    • a) Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt.1 BGB)

      • 1

        subjektiv Erklärtes ≠ objektiv Erklärtes

        • Ich weiß, was ich sage, aber nicht was ich damit ausdrücke

      • Irrtum wurde Inhalt der Eklärung

        • Abgrenzung zum unbeachtlichen Motivirrtum

      • RechtsfolgenirrtumRechtsfolgenirrtum, Kalkulationsirrtum

      • Ungelesene Urkunde wird unterschrieben

        • h.M. (-), wenn unterschrieben, ohne inhaltliche Vorstellung

        • 2

          (+), wenn inhaltliche Vorstellung, die fehlerhaft ist.

    • b) Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB)

      • Versprechen oder Verschreiben

        • Hier weiß ich schon gar nicht mehr, was ich sage

      • Beispiel

        3

        z.B. auch: 'Verklicken' beim Onlinekauf

      • KalkulationsirrtumRechtsfolgenirrtum, Kalkulationsirrtum

    • c) Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB)

      1. Eigenschaft

         • wertbildende Faktoren

           • Wert selber (-)

         • unmittelbares, dauerhaftes Anhaften

           • Beispiel
             Bsp. Unfallfreiheit oder Solvenz einer Person

      2. Verkehrswesentlichkeit

         • von der Verkehrsauffassung als objektiv wesentlich bewertet, unabhängig von den konkreten Vereinbarungen.

         • subjektiv erheblich

  • § 123 BGB

    • Täuschung durch Dritte (§ 123 II BGB )

      • Definition

        Dritter iSd § 123 II BGB sind nur am Geschäft Unbeteiligte

        • Gedanke des § 278 BGB

      • Beispiel

        und damit z.B. nicht der StellvertreterStellvertretung, §§ 164 ff. BGB

    • eventuell schon vorher (P) Abgrenzung zu § 138 BGB Sittenwidrigkeit § 138 BGB

      • § 123 BGB Lex specialis

        • 1. Wahlrecht ob Vertrag wirksam sein soll

        • 2. § 124 BGB nicht unterlaufen

    • Schema § 142: Schema

      1. Täuschung

         • Definition

           Täuschung = Hervorrufen eines Irrtums bei Anderen

         • Alt.: Widerrechtliche Drohung

           • Definition
             Drohung = In-Aussicht-Stellen eines Übels, wobei der Drohende vorgeben muss, Einfluss auf den Eintritt zu habenNötigung § 240 BGB

         • auch durch Unterlassen möglich (Garantenstellung Aufklärungspflicht)

           • Fallgruppen
             • Überlegenes Fachwissen / Strukturelle Überlegenheit
               • Beispiel
                 4

                 z.B. Schweigen des KFZ Händlers über Unfallschäden über Bagatellgenze (Lackschäden)
             • 5

               erkennbar besonders wichtige Umstände

      2. Irrtum

      3. Kausalität

      4. Arglist

         • schon bei Äußerungen 'ins Blaue hinein'

         • Neuer Knoten

    • Täuschung durch Dritte (§ 123 II BGB )

      • Definition

        6

        Dritter iSd § 123 II BGB sind Personen, die nicht im Lager des Erklärungsempfängers stehen

        • Gedanke des § 278 BGB Zurechnungsbestimmungen

        • Erklärungsempfänger ist der mittelbar Täuschende

          • als Getäuschter ficht man seine eigene WE an, nicht die des Täuschenden

      • Definition

        Zurechnung des Dritten nur, wenn der Erklärungsempfänger dessen Täuschung kannte oder kennen musste

      • Nicht-Dritte werden also immer dem Empf. zugerechnet 123 I

      • Beispiel

        Dritter ist z.B. nicht der Stellvertreter des Empfängers, weil wesentlich mitgewirktStellvertretung, §§ 164 ff. BGB

        • 7

          Zurechnung auch bei Überschreiten oder ganz fehlender Vertretungsmacht + Genehmigung

      • Beispiel

        derSchuldnerbei der Bürgschaft ist Dritter, weil nicht im Lager der BankBürgschaft § 765 BGB

      • Beispiel

        relevant auch bei § 415 BGB je nach KonstruktionSchuldnerwechsel & Schuldbeitritt

      • Grundsätzlich Anfechtung aufgr. v. Arglist dieser Dritten (-), weil keine Zurechnung, es sei denn, dass Vertragspartner die Täuschung kannte oder fahrl. nicht kannte

    • danach: CIC mit § 249 BGB = Aufhebungculpa in contrahendo §§ 311 II BGB , 280 I

    • danach: § 324 BGB , aber ausgeschlossen (s.o.)

  • § 120 BGB

    • nur bei Boten, nicht bei Vertretern ('übermittelt')

      • analoge Andwendung auf Software Fehler in Onlineshops

    • nicht bei VorsatzBote, § 120 BGB

      • hier ist die WE schon nicht zurechenbar

• Folgen

  • Unwirksamkeit mit ex-tunc-Wirkung

    • wirksame Teilanfechtung führt nur zur Teilnichtigkeit (§ 242 BGB )

      • Beispiel

        Wahlrecht des Anfechtungsgegners, ob Teilnichtigkeit oder Gesamtnichtigkeit

        • Anfechtungsrecht ist kein Reuerecht: der Irrende muss gem. § 242 BGB gelten lassen, was er wirklich gewollt hat

      • teleologische Reduktion des § 142 I BGB

        • ggf. Gesamtnichtigkeit gem. § 139 BGB

      • Beispiel

        Irrtum nur über Versandkosten

    • Sonderfälle

      • Arbeitsverträge

      • GesellschaftsverträgeScheingesellschaft

  • Schadensersatz § 122 BGB § 122 BGB

    • negatives Interesse (Vertrauensschaden)

      • Ausschluss bei mangelndem Vertrauen (§ 122 II BGB )

    • (P) daneben noch Anspruch aus CIC ohne Begrenzung auf positives Interesse culpa in contrahendo §§ 311 II BGB , 280 I

      • nicht zu verwechseln mit CIC-Anspruch auf Aufhebung

      • 3 (P)

        1. Alles-oder-nichts-Regel im § 122 BGB vs. § 254 BGB bei CIC

        2. beide ersetzen neg. Interesse, aber § 122 BGB ist auf pos. Interesse begrenzt

        3. CIC im nichtigen Vertragculpa in contrahendo §§ 311 II BGB , 280 I

      • 8

        h.M.: keine Konkurrenz

        • Arg.: § 122 BGB hat leicht erfüllbare Vrss (Verschulden egal) und leichte Rechtsfolge (s.o.). Dagegen hat CIC schwerere Vrss (Verschulden erforderlich) und schwere Folge → ok

  • Sonderfall: FehleridentitätAbstraktionsprinzip

    • = Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft leiden am gleichen Mangel

      • bei § 123 BGB meist (+)

      • bei § 119 I BGB idR (-)

        • Ausnahme: Irrtum über Vertragspartner

        • sonstige für Verfügung unerheblich

  • Rückabwicklung: § 812 I BGB 1 1. AltWirkung der Anfechtung

    • Folge(P): ausnahmsweise Eigentümer Besitzer Verhältnis, wenn auch Verfügung angefochtenEBV, §§ 987 ff. BGB

    • streng nach Worltaut (ex tunc!) eigentlich: § 812 I S.2 BGB 1.Alt§ 812 I S.2 BGB 1.Alt & 2.Alt (Bereicherungsrecht)

• 4. Frist

  • bei §§ 119, 120 BGB

    • §§ 121 BGB

  • bei § 123 BGB

    • Ausschluss nach 3 Jahren ab Jahresende nach Kenntnis, max 10 (§ 124 BGB )

  • Terminologie beachten: Ausschlussfrist != Verjährung

• 3. Anfechtungserklärung, § 143 BGB

  • Definition

    eindeutig erkennbarer Wille, dass Rechtsfolgen der WE nicht gewollt

    • unmöglich, wenn Irrtum noch nicht erkannt

  • grds. bedingungsfeindlichAT Folge bei einseitigen WE

    • aber Zuässigkeit der Potestativbedingung

  • Definition

    laiengünstige Auslegung §§ 133, 157 BGB ob auch bzgl. dinglichem Geschäft (bei Doppelmangel)

    • Abwicklung nach § 812 ff. BGB

    • oder § 985 BGB

    • § 157 BGB (-) bei einseitigen RG (-) da kein Vertrag aber aus Schutzgesichtspunkten analoge Anwendung

  • gegenüber dem Anfechtungsgegner

    • Bei Vollmachten ist nur der Vertretene anfechtungsberechtigtStellvertretung, §§ 164 ff. BGB

      • aber etwa bei Prokuristen idR auch Vollmacht zum AnfechtenProkura, § 48 ff. BGB

    • (P) Anfechtungsgegner bei Anfechtung der VollmachtStellvertretung, §§ 164 ff. BGB