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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 27.05.1981, Az.: IVB ZR 577/80

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats als Familiensenat des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 29. Mai 1979 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Die Ehe der Parteien ist seit 1976 rechtskräftig geschieden. Sie streiten im vorliegenden Verfahren über die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Zugewinnausgleich. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 4.305 DM nebst 4 % Zinsen seit 1. April 1977 zu zahlen. Es hat dabei - ebenso wie bereits das Familiengericht - auch einen Posten von 7.500 DM in Bundesschatzbriefen, die der Beklagte aus einem ihm während der Ehe nach einem Unfall zugeflossenen Schmerzensgeld in gleicher Höhe erworben hat, in den Zugewinnausgleich einbezogen. Nur dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten, mit der er eine Herabsetzung seiner Verurteilung auf 555 DM nebst Zinsen erstrebt.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die mit dem Schmerzensgeld wegen einer Verletzung der linken Hand angeschafften Wertpapiere seien als Endvermögen des Beklagten bei der Ermittlung seines Zugewinns zu berücksichtigen. Daß sie das Surrogat eines Schmerzensgeldes seien, stehe dem nicht entgegen. Unter das dem Zugewinnausgleich unterliegende Vermögen falle die Gesamtheit der einer Person zustehenden Rechte und Werte. Dabei sei der wirtschaftliche Vermögensbegriff sehr umfassend. Der andere Ehegatte solle an allem Vermögen teilhaben, das vererblich, objektivierbar und bewertbar sei. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der Schatzbriefe erfüllt. Es sei unerheblich, daß die zu ihrer Anschaffung verwendeten Geldmittel nicht durch wirtschaftliche Vorgänge erworben worden seien, sondern Ersatz eines immateriellen Schadens des Beklagten darstellten. Etwas anderes könnte, nur gelten, wenn § 1374 Abs. 2 BGB auf sie anwendbar wäre. Danach sei Vermögen, das ein Ehegatte von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwerbe, dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen. § 1374 Abs. 2 BGB sei jedoch eine Ausnahmevorschrift, deren entsprechende Anwendung auf andere Sachverhalte, in denen der andere Ehegatte gleichfalls zum Erwerb des betreffenden Gegenstandes nicht beigetragen habe, nicht in Betracht komme. Das Gesetz habe aus Gründen der Rechtssicherheit eine starre Regelung getroffen, nach der Ehegatten grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Herkunft an allem, was sie während der Ehe erworben hätten, bei vorzeitiger Auflösung des Güterstandes wertmäßig gleichen Anteil haben sollten.

II.Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

1.Die Revision macht geltend, es gehe nicht darum, § 1374 Abs. 2 BGB im Streitfall entsprechend anzuwenden. Entscheidend sei vielmehr, ob Schmerzensgeldzahlungen zum Endvermögen nach § 1375 BGB gehörten. Die Frage sei zu verneinen. Der Schmerzensgeldanspruch gleiche einen immateriellen Schaden aus. Der Ausgleich eines Schadens bewirke keine Vermögensmehrung; er bringe das Vermögen lediglich in den Zustand, in dem es ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses geblieben wäre. Durch Ausgleich des immateriellen Schadens solle das Schmerzensgeld dem Verletzten Wiedergutmachung und Genugtuung gewähren. Es könne für den Zugewinnausgleich ebensowenig in Anspruch genommen werden wie die körperliche Unversehrtheit.

2.Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Der Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 847 BGB ist kein Schadensersatzanspruch im üblichen Sinne, sondern ein Anspruch eigener Art mit einer doppelten Funktion: Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich Genugtuung gewähren (BGHZ 18, 149). Obwohl der Gesetzgeber ihn formal als bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch ausgestaltet hat, ist er seinem Inhalt nach nicht auf Ersatz von Vermögensschäden gerichtet. Die Wiederherstellung läßt sich hier nicht wie bei der Naturalrestitution von Vermögensschäden durchführen. Immaterielle Schäden können nicht und Ausgleichsmöglichkeiten nur beschränkt in Geld ausgedrückt werden. Sie betreffen nicht in Geld meßbare Güter. Der zu ihrem Ausgleich zu gewährende Geldbetrag läßt sich nicht dadurch ermitteln, daß "man sozusagen die Schmerzen mit den Freuden saldiert, durch die der Verletzte die Erinnerung an die Schmerzen tilgen soll". Aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden ist die dem Gesichtspunkt des Schadensausgleichs fremde Genugtuungsfunktion nicht wegzudenken (BGH a.a.O. S. 156 f.), die insbesondere über die Berücksichtigung des Grades des den Schädiger treffenden Verschuldens die Leistungshöhe beeinflußt.

Das Schmerzensgeld stellt aber einen Vermögenswert dar. Dazu zählen alle objektivierbaren und bewertbaren Vermögenspositionen (vgl. Staudinger/Thiele, BGB 12. Aufl. § 1375 Rdn. 4). Der Anspruch auf Schmerzensgeld ist, soweit er übertragbar ist, (§ 847 Abs. 1 Satz 2 BGB), pfändbar und verpfändbar. Er ist auch vererblich, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Die vom Gesetzgeber gewählte schematische Regelung des Zugewinnausgleichs, hinter der Gesichtspunkte der Einzelfallgerechtigkeit gegebenenfalls zurücktreten müssen (vgl. Hoegen in Anmerkung zu LM BGB § 1374 Nr. 3), legt den Gedanken nahe, daß der Ehegatte - vorbehaltlich der Härteklausel des § 1381 BGB - an allem teilhaben soll, was im Erbgang auf andere Personen übergehen kann (vgl. Rittner FamRZ 1961, 505, 506). Vom Boden dieser Rechtsauffassung her kann der Hinweis auf eine in der Einbeziehung in den Ausgleich liegende Zweckentfremdung des Schmerzensgeldes (so Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts Rdn. 748) nicht durchgreifen. Das Schmerzensgeld ist danach in einem Fall wie dem vorliegenden dem Endvermögen zuzuzählen.

3.Die mit dem Schmerzensgeld angeschafften Wertpapiere können, wie die Revision offensichtlich erkennt, auch nicht nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzugerechnet und auf diese privilegierende Weise dem Zugewinnausgleich entzogen werden. Das Schmerzensgeld hat zwar die besonderen Funktionen des Ausgleichs immaterieller Beeinträchtigungen des Betroffenen und der Genugtuung, und der Anspruch auf das Schmerzensgeld ist ohne Zutun des anderen Ehegatten entstanden. Richtig ist auch, daß der Zugewinnausgleich auf dem Grundgedanken beruht, daß der Vermögenserwerb eines Ehegatten während der Ehe in der Regel unmittelbar oder mittelbar von dem Ehepartner unterstützt worden ist (BGB-RGRK/Finke, 12. Aufl. § 1374 Rdn. 14). Daher soll das in der Ehe erworbene Vermögen bei Beendigung des Güterstandes beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zukommen. Die gesetzliche Regelung der §§ 1373 ff. BGB enthält aber keine allgemeine Ausprägung des Grundsatzes, daß der Vermögenserwerb eines Ehegatten schlechthin nur dann in den Zugewinnausgleich einbezogen werden soll, wenn der andere Ehegatte zu dem Erwerb beigetragen hat (BGHZ 68, 43, 44) [BGH 22.12.1976 - IV ZR 11/76]. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr - wie bereits erwähnt - für eine schematische, starre Regelung dahin entschieden, daß die Ehegatten grundsätzlich an allem, was sie während der Ehe hinzuerworben haben, bei Beendigung des Güterstandes wertmäßig gleichen Anteil haben sollen ohne Rücksicht darauf, ob und in welcher Weise sie an dem Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände mitgewirkt haben (BGH a.a.O. S. 45). Eine Ausnahme von diesem Prinzip enthalten lediglich die Fälle des § 1374 Abs. 2 BGB, für die typischerweise kennzeichnend ist, daß sie auf persönlichen Beziehungen des erwerbenden Ehegatten zu dem Zuwendenden oder auf ähnlichen besonderen Umständen beruhen und bei denen das Gesetz deshalb den Vermögenszuwachs nicht als einen Erwerb bewertet, an dem der andere Ehegatte beteiligt werden soll. Diese Fälle sind indessen in § 1374 Abs. 2 BGB abschließend aufgezählt. Eine ausdehnende Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht (BGH aaO; BGH Urteil vom 14. Januar 1981 - IV b ZR 525/80 = FamRZ 1901, 239; Hoegen aaO; allgemeine Ansicht; vgl. BGB-RGRK/Finke a.a.O. § 1374 Rdn. 25; Staudinger/Thiele, BGB 12. Aufl. § 1374 Rdn. 30; MünchKomm/Gernhuber, BGB § 1374 Rdn. 14; Dölle, FamR I S. 802).

4.Bei der Einbeziehung von Schmerzensgeld in den Zugewinnausgleich befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit dem überwiegenden Teil des Schrifttums (BGB-RGRK/Finke a.a.O. 1374 Rdn. 6 und § 1375 Rdn. 3; Soergel/Siebert/Lange, BGB 10. Aufl. § 1374 Rdn. 7 und § 1375 Rdn. 2; vgl. ferner Staudinger/Thiele a.a.O. § 1374 Rdn. 4 und § 1375 Rdn. 4 sowie Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts 3. Aufl. § 36 III 4 = S. 503: Heranziehung von Entschädigungsleistungen aller Art. Anderer Ansicht insbesondere Schwab a.a.O. sowie Jauernig/Schlechtriem, BGB § 1374 Anm. 4 a).

5.Anhaltspunkte dafür, daß die Einbeziehung des Schmerzensgeldes in den Zugewinnausgleich grob unbillig wäre (§ 1381 BGB), sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Der Ehegatte hat vor dem Berufungsgericht zwar gebeten, das "Augenmerk auf § 1381 BGB zu richten", und dazu die Auffassung vertreten, es erscheine grob unbillig, am Schmerzensgeld teilhaben zu wollen, obwohl der dies Fordernde selbst nicht verletzt worden sei. Der Beklagte hat aber keine Umstände aufgezeigt, die den Ausgleich des von ihm in Wertpapieren angelegten Geldes als dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechend erscheinen ließen. Sein Vorbringen erschöpft sich in dem Hinweis auf die Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes zum Ausgleich des immateriellen Schadens gerade des Verletzten. Dieser Gesichtspunkt allein stützt jedoch sein Leistungsverweigerungsrecht nicht.