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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 09.12.2011, Az.: V ZR 131/11

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5. Mai 2011 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 14. Oktober 2010 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Beklagte ist Eigentümer von zwei Wohnungen in einer Wohnungseigentumsanlage. Die Klägerin ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Beklagte hatte mit der Verwalterin einen Sonderverwaltervertrag geschlossen, in dem er diese bevollmächtigte, etwaige Sonderumlagen aus den eingehenden Mietzahlungen zu begleichen.

Am 29. Juni 2005 beschlossen die Wohnungseigentümer die Erhebung einer im August fälligen Sonderumlage. Auf die Wohnungen des Beklagten entfielen insgesamt 7.758,48 €. Nach Zahlungsaufforderung teilte der Beklagte der Verwalterin mit Schreiben vom 24. und 29. August 2005 mit, dass er auf die Sonderumlage keine Zahlungen leisten werde. Auf ihr Antwortschreiben vom 30. August 2005 reagierte der Beklagte nicht. In der Zeit von August 2006 bis November 2006 nahm die Verwalterin aus den Mieteinnahmen des Beklagten Teilzahlungen auf die Sonderumlage vor.

Ende 2006 wurde die Zwangsverwaltung für die Wohnungen des Beklagten angeordnet. Der Zwangsverwalter zahlte im Oktober 2008 auf die Sonderumlage 1.000 €.

Wegen des restlichen Betrages hat die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, der dem Beklagten am 14. Juli 2009 zugestellt worden ist. Nach dessen Widerspruch hat das Amtsgericht ihn zur Zahlung von 4.374,98 € verurteilt. Seine Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts greift die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Mit der Teilzahlung des Zwangsverwalters im Oktober 2008, die sich der Beklagte zurechnen lassen müsse, habe 2 die Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut begonnen. Dasselbe gelte für die von der Verwalterin im Jahr 2006 vorgenommenen Teilzahlungen. Diese habe mit Vollmacht des Beklagten gehandelt. Dem stünden die beiden Schreiben des Beklagten vom August 2005 nicht entgegen, da er dem Antwortschreiben der Verwalterin, in dem diese den Grund der Sonderumlage dargelegt habe, nicht entgegengetreten sei.

II.

Die Revision ist zulässig und begründet.

1. Sie ist insbesondere statthaft, weil der Senat an die Revisionszulassung durch das Berufungsgericht gebunden ist, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Es besteht allerdings Veranlassung zu dem Hinweis, dass es für die Zulassung der Revision auf das Vorliegen von Zulassungsgründen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ankommt und deren Voraussetzungen von dem Berufungsgericht sorgfältig zu prüfen sind. Der hier angenommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung kommt nur in Betracht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage entscheidungserheblich ist (Senat, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291). Dies ist zu verneinen, da das Berufungsgericht seine Entscheidung auf eine Alternativbegründung gestützt hat, für die die Frage, ob der Schuldner Zahlungen des Zwangsverwalters mit der Wirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegen sich gelten lassen muss, ohne Bedeutung ist.

2. Die Revision ist begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist der Anspruch der Klägerin verjährt.

a) Rechtsfehlerhaft misst das Berufungsgericht der Teilzahlung des Zwangsverwalters auf die Sonderumlage die Wirkung eines Anerkenntnisses des Beklagten bei, das gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung führt.

aa) Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Für ein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis genügt ein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein von dem Bestehen der Forderung unzweideutig entnehmen lässt und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird (BGH, Urteil vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, NJW-RR 2005, 1044, 1047 mwN). Dem Anerkenntnis des Schuldners steht nach allgemeinen Regeln das eines anderen gleich, der aufgrund eines Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes ermächtigt ist, für den Schuldner zu handeln (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1968 - III ZR 2/68, BGHZ 51, 125, 126).

bb) Der Vollstreckungsschuldner in der Zwangsverwaltung verliert mit der Beschlagnahme das Recht, das beschlagnahmte Grundstück zu verwalten und es zu benutzen, § 148 Abs. 2 ZVG. Diese Befugnisse werden von dem Zwangsverwalter ausgeübt, der insoweit als Träger der Rechte und Pflichten des Vollstreckungsschuldners an dessen Stelle tritt. Nimmt der Zwangsverwalter in Erfüllung der ihm durch § 152 Abs. 1 ZVG zugewiesenen Aufgaben Zahlungen an einen Gläubiger vor, wird der Schuldner so behandelt, als seien diese von ihm selbst geleistet worden. Solchen Zahlungen kommt daher nicht nur Erfüllungswirkung zugunsten des Schuldners zu, vielmehr muss er sie auch mit der Wirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegen sich gelten lassen. 9 cc) Allerdings tritt der Zwangsverwalter nur insoweit an die Stelle des Schuldners, als dies sich ausdrücklich aus seinem Pflichtenkreis heraus ergibt (Wedekind/Wedekind, Zwangsverwaltung, Rn. 45). Er hat gemäß § 152 Abs. 1 ZVG das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen. Die Ausgaben, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Zwangsverwaltung erforderlich sind, hat er gemäß § 155 Abs. 1 ZVG ohne Teilungsplan und Anordnung des Vollstreckungsgerichts aus den Nutzungen des Grundstücks vorweg zu bestreiten. Zu den Ausgaben der Verwaltung zählt bei der Vollstreckung in ein Wohnungseigentum auch das laufende Hausgeld im Sinne des § 156 Abs. 1 Satz 2 ZVG (Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - V ZB 43/09, BGHZ 182, 361, 365 Rn. 11 ff.). Solche Zahlungen fallen in den durch § 152 Abs. 1 ZVG festgelegten Pflichtenkreis des Zwangsverwalters. Nicht zu den vorweg zu bestreitenden Ausgaben der Verwaltung gehören hingegen die vor der Beschlagnahme fällig gewordenen rückständigen Hausgelder (Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 191; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 227; Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 244; Löhnig/Bäuerle, § 152 ZVG Rn. 15; Dassler/ Schiffhauer/Engels, ZVG, 13. Aufl., § 152 Rn. 203, 213). Dies gilt auch für rückständige Sonderumlagen. Sie sind gemäß § 155 Abs. 2 Satz 2 ZVG nur im gerichtlichen Verteilungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die Gemeinschaft wegen dieser Ansprüche die Zwangsverwaltung betreibt (Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 191).

dd) Hier hat der Zwangsverwalter selbständig eine Teilzahlung auf die vor der Anordnung der Zwangsverwaltung von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossene, rückständige Sonderumlage geleistet. Dies war von 12 seinem Pflichtenkreis gemäß § 152 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 156 Abs. 1 Satz 2 ZVG nicht erfasst. Seine Handlung kann, da er hierzu gesetzlich nicht ermächtigt war, dem Beklagten nicht als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zugerechnet werden.

b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Dessen Alternativbegründung, die Teilzahlungen der (Wohnungseigentums-) Verwalterin führten zu einem Neubeginn der Verjährung, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Auch deren Zahlungen können dem Beklagten nicht als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zugerechnet werden.

aa) Das Berufungsgericht weist lediglich darauf hin, dass die Verwalterin in dem Sonderverwaltervertrag vom 18. November 2002 bevollmächtigt worden sei, aus den verwalteten Mieteinnahmen Zahlungen auf Sonderumlagen vorzunehmen. Es meint zwar, dass der Beklagte 'zu Recht' auf seine beiden Schreiben vom August 2005 hinweise, in denen er der Verwalterin mitteilte, er werde auf die Sonderumlage keine Zahlungen leisten und auch die Verwalterin sei nicht bevollmächtigt. Mit der Frage, welche rechtliche Bedeutung den Schreiben zukommt, insbesondere ob sie als teilweiser Widerruf der erteilten Vollmacht (§ 168 Satz 2 BGB) auszulegen sind, setzt es sich jedoch nicht auseinander. Der Senat kann die von dem Berufungsgericht unterlassene Auslegung selbst vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1975 - VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, 112). Sie führt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte die der Verwalterin erteilte Vollmacht teilweise widerrufen hat. Der Beklagte brachte in den Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die Sonderumlage nicht bezahlen werde. Seine Formulierung, 'auch die Verwalterin sei nicht bevollmächtigt', kann in 14 diesem Zusammenhang nur dahingehend verstanden werden, dass er der Verwalterin untersagte, in seinem Namen Zahlungen auf die beschlossene Sonderumlage zu leisten. Darin liegt, soweit es um die strittige Sonderumlage geht, ein teilweiser Widerruf der erteilten Vollmacht.

bb) Das Schweigen des Beklagten auf das Antwortschreiben der Verwalterin vom 30. August 2005 stellt nicht einen Widerruf des Vollmachtswiderrufs dar. Das bloße Schweigen ist regelmäßig keine Willenserklärung (BGH, Urteil vom 24. September 1980 - VIII ZR 299/79, NJW 1981, 43, 44). Als Willenserklärung ist es nur dann anzusehen, wenn ihm ausnahmsweise ein Erklärungswert zukommt (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - V ZB 37/02, BGHZ 152, 63, 68). Dies ist hier zu verneinen. Die Verwalterin hatte in ihrem Antwortschreiben lediglich darauf hingewiesen, die Auffassung des Beklagten, Eigentum in einem sanierten Objekt erworben zu haben, sei nicht richtig. Ihrem etwaigen Willen, trotz teilweisen Widerrufs der Vollmacht die verwalteten Mieteinnahmen des Beklagten zur Zahlung der strittigen Sonderumlage zu verwenden, hat sie hingegen nicht Ausdruck verliehen. Bereits deshalb kann aus Sicht der Verwalterin dem Schweigen des Beklagten auf ihr Antwortschreiben nicht der Erklärungswert beigemessen werden, er sei nun doch mit einer Begleichung der Sonderumlage durch die Verwalterin einverstanden.

c) Da die Verjährungsfrist nach den Regelungen in den § 195, § 199 Abs. 1 BGB am 31. Dezember 2008 endete, vermochte die Zustellung des Mahnbescheids im Juli 2009 die Verjährung nicht zu hemmen.

III.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland Vorinstanzen:

AG Bergheim, Entscheidung vom 14.10.2010 - 29a C 62/09 -

LG Köln, Entscheidung vom 05.05.2011 - 29 S 223/10 - 18