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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 16.11.1959, Az.: 3 STR 45/59

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts in Düsseldorf vom 30. Juni 1959 aufgehoben.

Die tatsächlichen Feststellungen bleiben bestehen.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Beschuldigte, dem die Anklage Verunglimpfung der Bundesfarben (§ 96 StGB) zur Last legt, ist durch das angefochtene Urteil freigesprochen worden. Die Revision rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Sie ist begründet.

Der Angeklagte hat als Redner in einer öffentlichen Versammlung der Deutschen Reichspartei die Äußerung getan:"Immer wenn Deutschland in Not war, hatten wir die Fahne schwarz-rot-gelb; wenn es uns gut ging, die Fahne schwarz-weiss-rot. Ich sage schwarz-rot-gelb, weil Gold ja bekanntlich keine Farbe ist".

Bei diesen Äußerungen, so stellt das Landgericht fest, lachten der Angeklagte und auch ein Teil der Versammlungsteilnehmer.

Das Landgericht sieht hierin keine Verunglimpfung der Bundesfarben im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Der Angeklagte habe die Farben der Bundesrepublik zwar "herabsetzen, d.h. beleidigen" wollen. Seine Äußerungen enthielten "eine Kundgabe der Mißachtung oder Nichtachtung" der Bundesfarben (S. 70 d.A.). Der Begriff des Verunglimpfens setze aber "eine erhebliche Kundgebung der Mißachtung" voraus; die "nur geringfügige" Kundgebung der Mißachtung erfülle den angegebenen Tatbestand nicht. Im Falle einfacher Beleidigung könne von einer Verunglimpfung nur ausnahmsweise dann gesprochen werden, wenn sie "unter besonders häßlichen Begleitumständen" geschehen sei.

Diese Ansicht der Strafkammer ist rechtsirrig. Der Begriff der Verunglimpfung (§§ 95, 96, 97, 189 StGB) umfaßt alles, was das Strafgesetzbuch als Beleidigung im Sinne der §§ 185, 186, 187 begreift, jedoch nur nach Form, Inhalt, den Begleitumständen oder dem Beweggrund erheblichere Ehrenkränkungen (BGHSt 12, 364). Das Merkmal des Verunglimpfens hat in den §§ 97 und 96 StGB dieselbe Bedeutung. Geringere, unwesentliche Entgleisungen haben hiernach zwar außer Betracht zu bleiben. Es trifft aber nicht zu, dass bei der vom Landgericht so bezeichneten "einfachen" Beleidigung nach § 185 StGB stets "besonders häßliche Begleitumstände" hinzukommen müßten, um sie zu einer Verunglimpfung zu machen (vgl. BGHSt 12, 366 [BGH 28.01.1959 - 3 StR 41/58]).

Die festgestellten Äusserungen des Angeklagten sind keine geringere, unwesentliche Entgleisung, über die im Sinne des § 96 StGB deshalb hinweggesehen werden könnte, weil sie die den Bundesfarben geschuldete Achtung etwa nicht erheblich und ernstlich in Frage stellt. Die Bezeichnung der Bundesfarben als schwarz-rot-gelb, verbunden mit der sich harmlos gebenden Erörterung, ob "Gold eine Farbe" sei, eine Betrachtung, die in Wirklichkeit Verachtung der Bundesfarben ausdrückt, kann nicht als bloße gelegentliche Entgleisung etwa im Unmut oder als private Äusserung einer unmaßgeblichen Meinung für sich allein betrachtet werden. Sie stellt vielmehr - auf dem Hintergrund des Zeitgeschehens betrachtet - das Wiederhervorholen einer der hämischsten Goebbelsschen Kampfparolen gegen die durch die Bundesfarben verkörperten Verfassungsgedanken der freiheitlichen Demokratie dar. Die Redewendung "schwarz-rot-gelb" hat, nicht zuletzt auch durch die beigefügte hinterhältige Begründung, durch jahrelange national sozialistische Hetze die Bedeutung einer bösartigen Beschimpfung des demokratischen Staatssymbols erlangt. In dem Munde eines einstigen bewußten Parteigängers des Nationalsozialismus und im Rahmen von öffentlichen Ausführungen für die DRP, die ausdrücklich an den Nationalsozialismus anknüpfen ("Hitler und der Nationalsozialismus seien zwar tot, aber die Ideen teilweise beständig"), behält sie erst recht das volle Gewicht ihrer herabsetzenden Bedeutung. Es kann daher gar nicht zweifelhaft sein, dass die festgestellten Äusserungen des Angeklagten den Tatbestand des § 96 StGB erfüllen.

Gemäß den §§ 353, 354 Abs. 2 StPO war daher das Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Jedoch waren die dem Urteil zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufrechtzuerhalten, da sie durch die Gesetzesverletzung nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO).

Die Entscheidung entspricht dem Antrage des Generalbundesanwalts.