Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 20.03.1951 - BGHSt 1,117
Entscheidungsgründe
I.Der Angeklagte ist durch das Urteil des Landgerichts Mains vom 13. Oktober 1950 unter Freisprechung im übrigen wegen fortgesetzter Urkundenfälschung in 3 Fällen, Doppelehe in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung, unbefugter Führung akademischer Grade, fortgesetzten Betrugs in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit fortgesetzter Urkundenfälschung, mittelbarer Falschbeurkundung, Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung, fortgesetzten Betrugsversuchs in Tateinheit mit fortgesetzter schwerer Urkundenfälschung zu einer Gesamtstrafe von 5 Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Das Landgericht hat auf die erkannte Strafe die Untersuchungshaft in vollem Umfang angerechnet und ausserdem die Einziehung einer Schreibmaschine, eines Kinderdrucckastens, eines Klischees, mehrerer Stempel sowie einiger gefälschter Urkunden angeordnet.
II.Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, die ausschliesslich die Verletzung des sachlichen Rechtes rügt. Sie ist nur zum Teil begründet.
1.)Das Landgericht stellt in dem angefochtenen Urteil fest, dass der Angeklagte im Sommer 1946 dem Standesamt O./Oe. zum Zwecke der Eheschliessung mit der ledigen Paula G. eine von dem ungarischen Arzt Dr. C. beschaffte, "gefälschte" Geburtsurkunde sowie ein von demselben Arzt ebenfalls beschafftes "gefälschtes" Schreiben des K.u.K. Ministeriums des Innern in W. vom 7. April 1914 vorgelegt hat. Es sieht in diesen Verhalten den Gebrauch gefälschter Urkunden im Sinne des § 267 StGB. Diese rechtliche Beurteilung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Die beiden von dem Angeklagten dem Standesamt vorgelegten Urkunden vom 2. Juli 1937, die anscheinend nicht vorgelegen haben, sondern im Urteil nur wörtlich wiedergegeben werden, erwecken den Anschein notarieller Beglaubigungen der Abschrift eines Geburts- und Taufscheines der Pfarrgemeinde St. M. zu S. vom 21. April 1914 und der Abschrift eines Schreibens des K.u.K. Ministeriums des Innern in W. an den K.u.K. Major Alexander von Sch., W. XIII, H.str. ..., vom 7. April 1914. Sie besagen nach ihrem Inhalte, dass die Dichtigkeit der Abschriften nach den - dem Notar - vorliegenden Urschriften beglaubigt wird. Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich, dass es diese Urschriften nie gegeben hat, und dass ihr Inhalt frei erfunden ist. Jedoch ist den Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen, dass die notariellen Beglaubigungsvermerke vom 2. Juli 1937 gefälscht sind. Das Urteil führt auf Bl 4 aus, dass der Angeklagte zum Zwecke der Eheschliessung eine "falsche" Geburtsurkunde vorlegte. Auf Bl 5 des Urteils sagt das Landgericht: "Weiter legte der Angeklagte ein von Dr. C. beschafftes gefälschtes Schreiben des K.u.K. Ministeriums des Innern vom 7. April 1914 vor ..." Dieser Wortlaut erweckt auf den ersten Anschein den Eindruck, als habe das Landgericht nicht die Unechtheit der Beglaubigungsvermerke, sondern die fälschliche Anfertigung der in Abschrift beglaubigten Urkunden feststellen wollen. Durch die übrigen Ausführungen des Urteils auf Bl 17 wird diese Auffassung noch bestärkt. Dort stellt das Landgericht fest, dass der Angeklagte unechte öffentliche Urkunden zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht hat. Sie Urkunden seien unecht, da sie von einer anderen Person herrühren als derjenigen, die in ihnen als Aussteller bezeichnet ist. Es handle sich um öffentliche Urkunden, da sowohl die Geburtsurkunde als auch die Namensgebungnur von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftsbereiches in der vorgeschriebenen Form aufgenommen werden könne. Zu der Frage der Echtheit der notariellen Beglaubigungsvermerke vom 2. Juli 1937 hat sich das Landgericht jedoch nicht geäussert und auch nichts festgestellt. Es hat daher auch nicht zu der Möglichkeit Stellung genommen, ob der Angeklagte etwa von einer zwar echten, aber inhaltlich unwahren ausländischen öffentlichen Urkunde - damit von einer falschen Beurkundung - zum Zwecke der Täuschung Gebrauch gemacht hat. (§ 273 StGB, Goltd Arch 56, 78, RGSt 68, 300). Diese Mängel haben die Rechtsausführungen des angefochtenen Urteils beeinflusst.
Irrig ist die Auffassung, - von der das Landgericht offenbar ausgeht -, die hier in Frage kommenden Urkunden seien deshalb unecht, weil es die Urschriften der beglaubigten Abschriften überhaupt nicht gibt. Wäre die Beglaubigung dieser Abschriften wirklich von dem öffentlichen Notar vorgenommen worden, dessen Persönlichkeit aus den Beglaubigungsvermerken vom 2. Juli 1937 erkenntlich ist, so wären die Urkunden in ihrer Eigenschaft als beglaubigte Abschriften zweifellos echt. Sie wären jedoch inhaltlich unrichtig und unwahr. Die Vorlage solcher unwahrer, jedoch echt beglaubigter Abschriften ist kein Gebrauch "gefälschter" Urkunden im Sinne des § 267 StGB. Es ist der Revision beizupflichten, dass es zum Tatbestand der Urkundenfälschung nicht genügt, wenn der Täter nur von einer Abschrift einer gefälschten Urkunde, mag sie auch beglaubigt sein, zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht. Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, der sich der Senat anschliesst, grundsätzlich erforderlich, dass der Täter denjenigen, der getäuscht werden soll, in die Lage versetzt, die gefälschte Urkunde selbst sinnlich wahrzunehmen. (RGSt 69, 228; 76, 333; RG Urt vom 19.1.1937 4 D 963/36 in JW 1937, 759). Die Bedeutung einer Urschrift könnte eine Abschrift allerdings haben, wenn, sie als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift ausgegeben und in einer Weise verwertet wird, als sei sie zu dem Zwecke hergestellt, im Rechtsleben die Urschrift zu ersetzen. (RGSt 69, 227). Damit der Tatbestand des § 267 StGBerfüllt würde, wäre somit erforderlich, dass das zur Täuschung vorgelegte Schriftstück nicht lediglich die Bestimmung hat, wörtliche Wiedergabe einer anderen. Urkunde zu sein. Es müsste ausserdem dazu bestimmt gewesen sein, in der vorliegenden Form selbst als Erklärung ihres angeblichen Ausstellers zu gelten (RG HRR 1940, Nr. 1364). Diese Voraussetzungen liegen dann nicht vor, wenn - wie es hier, möglich ist - Abschriften nicht bestehender Urkunden der Wahrheit, zuwider, aber in echter Weise beglaubigt worden sind. Die bisherigen Feststellungen und Rechtsausführungen des Land. Berichts können daher den Schuldspruch nach § 267 StGB nicht tragen.
Im vorliegenden Falle ist die Tatsache, dass die Urschriften der angeblichen Abschriften nicht bestehen, für die Anwendbarkeit des § 267 StGB dann unerheblich, wenn sich ergeben sollte, dass die notariellen Beglaubigungsvermerke vom 2. Juli 1937 gefälscht und daher unecht sind. Wäre dies der Fall, und hat der Angeklagte die gefälschten Beglaubigungsvermerke im Bewusstsein ihres Unechtseins dem Standesamt vorgelegt, so hat er zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde gebraucht, hat also den Tatbestand des § 267 StGB erfüllt. Das Landgericht hätte daher die ausschlaggebende Frage nach der Echtheit der Beglaubigungsvermerke nicht ungeprüft lassen dürfen. Da das Urteil in dem oben behandelten Teil durch ungenügende Tatsachenfeststellungen und irrige Rechtsausführungen sachliches Recht verletzt, ist es insoweit nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.
2.)Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht den Tatbestand eines Verbrechens der Doppelehe im Sinne des § 171 StGBin Tateinheit mit einem Vergehen der Falschbeurkundung nach § 271 StGB als durch das Verhalten des Angeklagten erfüllt erachtet. Nach den eindeutigen und in sich widerspruchslosen Feststellungen des Urteils war sich N. z.Zt. des Eheschlusses in O. des Fortbestandes der gültigen Ehe mit seiner Ehefrau Friedl N. geb. Ga. bewusst. Es trifft auch zu, dass der Angeklagte durch die Eheschliessung mit der Paula. G. in O. unter falschem Namen und unter falschem Titel das zuständige Standesamt über seine Persönlichkeit täuschte und dadurch eine Falschbeurkundung im Heiratsregister bewirkte. Dieses Verhalten kann den Tatbestand des § 271 StGB allerdings nur dann erfüllen, wenn zur Tatzeit die Beweiskraft des Heiratsregisters in Oe. sich auch auf die Angabe der Persönlichkeit der Eheschliessenden erstreckte. Diese Frage ist vom Landgericht nicht geprüft worden, das, sich mit der Untersuchung begnügte, wie sie sich nach dem in Deutschland geltenden Recht für deutsche Standesregister beantworten lässt. Sie ist aber zu bejahen, da die Bestimmungen der §§ 60, 11 des Deutschen Personenstandsgesetzes vom 3.11.1937, das in Oesterreich durch die Verordnung vom 23.11.1938 (RGBl 1938 I, S 1919) eingeführt würde, gemäss § 2 des Verfassungsgesetzes vom 1. Mai 1945 der Republik Oesterreich im oesterreichischen Bundesgebiet heute noch in Kraft sind.
3.)Unbegründet ist die Rüge der Revision, das Landgericht habe den Begriff der Urkundenfälschung insoweit verkannt, als es den Angeklagten auch in den fällen nach § 267 StGB schuldig gesprochen habe, in denen er Urkunden mit dem Namen Mo. unterschrieb. Es ist zwar richtig, dass nicht jede Unterzeichnung einer Urkunde mit einem falschen Namen eine Urkundenfälschung in sich begreift. Das Vergehen nach § 267 StGB ist eine Fälschungstat, deren wesentliches Merkmal die Tatsache ist, dass über die Person des wirklichen Ausstellers ein Irrtum erregt oder aufrecht erhalten wird. Es muss der Anschein erweckt werden, dass der wirkliche Aussteller der Urkunde eine andere Person sei, als diejenige, von der sie herrührt. (RGSt 48, 240). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn trotz falscher Namensführung über die Persönlichkeit des Ausstellers kein Zweifel bestehen kann. In den vorliegenden Fällen ist aber eine Täuschung über die Person des wirklichen Ausstellers hervorgerufen worden. Der Angeklagte hat sich schon vor der Unterzeichnung des Mietvertrages mit dem Bankier Walter P. und der 3 Anstellungsverträge als eine andere, von ihm wesentlich verschiedene Persönlichkeit ausgegeben, wenn es auch den von ihm vorgetäuschten "Chefdirektor" Robert Mo. der Firma "I.", die eine Zentrale in Stuttgart haben sollte, nie gegeben hat. Er hat die Rolle eines anderen, von inm erdachten, wirtschaftlich bedeutenden Mannes gespielt. Dies hat er getan, um im Rechtsleben nicht mit seinem Namen handeln zu müssen, sondern um in den Augen der Rechtsgemeinschaft, die er täuschen wollte, ein von seinem Selbst verschiedener Anderer zu sein. Dass er euch in der Absicht zu täuschen gehandelt hat, ergeben die einwandfreien Feststellungen des Landgerichts. Seine Verurteilung nach § 267 StGB in den angeführten Fällen ist irrtumsfrei (vgl RGSt 46, 298).
4.)Zu Unrecht führt die Revision aus, das Landgericht habe sachliches Strafrecht dadurch verletzt, dass es unter Missachtung der Allgemeinen Anweisung an Richter Nr. 1 einen besonders schweren Fall im Sinne des § 263 Abs. 4 StGB angenommen habe. Zur Zeit des Urteilsspruchs war die AAR Nr. 1 im Bundesgebiet nicht mehr in Kraft. Sie verpflichtete daher den Richter nicht mehr. Wie der erkennende Senat schon in seinem zum Abdruck bestimmtenUrteil vom 16. Februar 1951 (2 StR 109/50) entschieden hat, hat die AAR Nr. 1 das sachliche Strafrecht nicht - auch nicht zeitweise - verändert und ist daher nachträglich auch nicht auf Taten anzuwenden, die zu einer Zeit begangen worden sind, als sie noch in Kraft war.
Das Landgericht hat im übrigen bei der rechtlichen Beurteilung der Taten des Angeklagten wiederholt die Bestimmungen der AAR Nr. 1 beachtet, obwohl es an sie nicht sehr gebunden war. Dieser Fehler beschwert den Angeklagten nicht.
5.)Nach seinen Feststellungen, dass die von dem Angeklagten zur Herstellung gefälschter Urkunden benutzte Schreibmaschine gegebenenfalls im Miteigentum seiner Ehefrau steht, hätte das Landgericht diesen Gegenstand nicht gemäss § 40 StGB einziehen dürfen. § 40 StGB kann nicht angewandt werden, wenn an der betroffenen Sache Personen als Eigentümer dinglich berechtigt sind, welche an der verübten Tat nicht schuldhaft beteiligt waren. (RGSt JW 1933, 174). Da nur körperliche Sachen, nicht aber Rechte eingezogen werden können, wäre auch die Einziehung des Eigentumsanteils des Angeklagten unzulässig. (Olshausen, Anm 11 Abs. 2 zu § 40 StGB). In des angefochtenen Urteil sind die Eigentumsverhältnisse an der von dem Angeklagten zur Tat benutzten Schreibmaschine keinesfalls hinreichend geklärt. Es wird Aufgabe der tatrichterlichen Feststellung sein, das Versäumte nachzuholen und danach die Entscheidung gemäss § 40 StGB zu treffen. Die Einziehung der Schreibmaschine war demnach aufzuheben.
Im übrigen sind die Feststellungen und Rechtsausführungen des angefochtenen Urteils irrtumsfrei.